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Der Plan. (1)

Eigentlich geschieht in meinem Leben ziemlich viel.
Es ist ein Leben, bestehend aus vollen Tagen, das führe ich.
Doch lebe und erlebe ich es auch?
Am Tag, wie auch in der Nacht, erfahre ich Leben und nehme ich es wahr.
Die Summe meiner Wahrnehmungen, deren Verarbeitung und meine Schlüsse aus allem, das sind alles die Elemente, aus denen der Rohbau meiner Welt besteht.
Ich könnte über jede einzelne Minute des von mir Erfahrenen ein jeweils eigenes Buch schreiben.
Nur bin ich viel zu unachtsam und zu ignorant.

Meine Aufmerksamkeit ist stets nur auf das Wesentliche konzentriert.
Daher kann ich mich nur an ganz wenige Einzelheiten erinnern.
Diese spärlichen Reste würden nicht einmal ein einziges Kapitel eines Buches ausfüllen können.
Resterinnerungen erschaffen bei mir die Vorstellung eines amorphen und tristen Alltags.

Daher habe ich nun damit begonnen, die Ignoranz in meinem Kopf, vehement zu bekämpfen.
Sie scheint mir eine Art Korsett oder eine Zwangsjacke zu sein.
Ich möchte sie umgehen.
Mich zu befreien, danach sehne ich mich.
Diese Ignoranz auch nur zu schwächen, das wäre gut.
Vielleicht gelingt es mir, sie in vollem Umfang auszuschalten.
Auch nur eine kurze Pause, das wäre eine Wonne.
Auf einen Versuch sollte ich es ankommen lassen.

Wenn ich zu viel in meinem Leben ignoriere, dann fühle ich mich nicht gut.
Es gibt so viele bedeutsame Inhalte und Geschehnisse, interessante Abläufe und Details.
Deren Missachtung empfinde ich als Schande.
Ich fühle mich respektlos. Fast wie ein schlimmer Übeltäter bin ich, wenn ich diese Erfahrungen einfach überhaste.
Als wäre ich ein wütender Elefantenbulle in einem Porzellangeschäft, so stampfe ich Augenblick, für Augenblick, durch mein Leben, das doch eigentlich ein sagenhaftes Wunder ist.
Ich zerstöre und ignoriere konsequent, begeistere mich nur für die glitzerndsten Pailletten in meinem Leben.
Meine ganze Aufmerksamkeit, sie gilt nur dem bunten Strass.
Für mich ist das eine Form von echter Dekadenz.
Ja, eigentlich ich bin ein sehr oberflächlicher Mensch.
Dessen bin ich mir bewusst und hasse mich dafür.
Diese Unzufriedenheit gärt und zerrt in mir, als hätte ich ständig etwas Verdorbenes gegessen.
So kann das nicht weitergehen mit mir.
Es muss etwas geschehen.  

Also beginne ich damit, einiges aufzuschreiben.
Zunächst halte ich alles fest.
Danach betrachte ich alles und verarbeite dann im Anschluss.
Es ist der Beginn einer Reise.
Sie wird in einer einzigen, für mich aufrichtig wahrgenommenen Minute enden.
Kann man eine einzige Sekunde zu Papier bringen, so wage ich den Versuch.
Es wäre ein winziger Augenblick in Worten.
Eigentlich ist mein Ziel noch nicht sichtbar und im Nebel verborgen.
Ich kenne es nicht, so sehr ich mich auch bemühe. 
So kann nicht sagen, wie dieser Augenblick aussehen und sich anfühlen wird.
Begreifen und betasten möchte ich ihn.
Ich muss ihn schmecken und beriechen, ihn deutlich erkennen, wenn er da ist.
Dieses nebulöse Gebilde, es könnte selbst, ein Ziel sein.

Ein großes Abenteuer bahnt sich an. Da bin ich mir sicher.
Wie werde ich die Menschen sehen und sie mich?
Werden sie es überhaupt bemerken?
Ich weiß es nicht.
Das ist alles ein unerforschtes Land für mich.
Dabei sind es sehr viele Augenblicke in meinem Leben, die ich schon erleben durfte.
Doch erkannt, das habe ich sie einfach nicht.
Ich kann mich nicht an sie erinnern.
Ein wahrhaftiger Narr bin ich, ein so hoffnungsloser Ignorant zu sein.

Die Leute in unserem Haus, sie nehmen mich kaum wahr.
Sie ignorieren mich. Ich spiele in ihrem rastlosen Leben kaum eine Rolle. Alleine wohne ich.
Mein Name ist Joshua.
Einige Bekannte von mir nennen mich Josh.
Keine Frau und keine Kinder habe ich.
Oft bin ich alleine.
Täglich pendle ich zwischen dem Ort meiner Arbeit und der Wohnung.
Einmal in der Woche gehe ich zum Einkaufen.
Dieses Einkaufen, es ist eine Qual für mich.
Ich spiele dann stets mit meinen Gedanken herum.
Es ist der klägliche Versuch, mich vom Einkaufsgeschehen abzulenken.
Allerlei Bilder schaffe ich hinein, in meinem Kopf.
Sie sind das Bunt der Farben in meinem grauen Leben.

In meine Gedanken tief versunken stehe ich also immer wieder an der Kasse vom Supermarkt.
Das ist jener grässliche Ort, an dem es immer laut ist.
Es piept ständig, wenn die Kassiererin die Waren über ein diabolisch anmutendes Licht bewegt. Es piept.
Immer wieder piept es.
Als würde bei jedem Artikel ein süßes Meerschweinchen gequält werden, so hört sich dieses Piepen an.
Ein gehetztes Einpacken der gekauften Waren folgt.
Die missbilligenden Blicke der Kunden in der Schlange sind mir dabei immer sicher.
Oh, wie ich das alles verabscheue und wie sehr ich das hasse.
Regelrechte Einkaufsqualen in meinem Leben.

Eigentlich ist es schon erstaunlich, wie ein derartiges Umfeld, so viel Stress bei mir erzeugen kann.
Mit nur wenigen Menschen gerate ich täglich in Kontakt.
Aber diese Kontakte belasten mich erheblich. Ich habe ständig Angst.
In der Gegenwart von Menschen neige ich dazu, mich als Versager zu entblößen.
Im ständigen Vergleich zu ihnen, so sehe ich mich.
Nähe zu Menschen, sie bedeutet Auseinandersetzung, oft Verteidigung und fast immer Enttäuschung.
Die dezenteste Ausprägung dieser Furcht, sie ist das Bekunden von Respekt.
Vielleicht achte ich doch viel mehr auf Details, als ich es von mir annehme.
Woher sonst mag dieses innere Aufwühlen und die ständige Belastung kommen?
Genau das muss ich einfach herausfinden.
Das Wesen meiner schäbigen Ignoranz muss ich erkennen.
Ich möchte es verstehen lernen.
Sie besser zu beherrschen und sie einzudämmen, das sollte mein Ziel sein.
Die Konzentration auf alle für mich wichtigen Inhalte in meinem Leben, sie bedingen zudem ganz naturgemäß, eine gewisse Ignoranz.
Sie fordert nahezu Ignoranz. Gelenkt wird sie durch gesetzte Prioritäten.
Werde ich dadurch zu einem schlechteren Menschen?
Ich weiß es nicht.
Vielleicht bin ich auch nur das Opfer einer schlampigen Lebensweise?
Eher zur Ignoranz erzogen, das scheine ich zu sein.

Was ist wirklich wichtig, beachtet zu werden?
Meine Entscheidungen und Prioritäten wären es demnach, die meine Ignoranz ernähren.
Manipuliert man meine Entscheidungen beim Setzen von Prioritäten, dann steuert man damit auch meine Aufmerksamkeit und das Erleben selbst.
Das ist eine gewagte Theorie.
Ich ahne bereits deutlich, dass ein Leben ohne Ignoranz unmöglich zu sein scheint.
Doch mein Bestreben ist es, diese Ignoranz in großem Umfang abzubauen.
Die gelernte Oberflächlichkeit beim Erleben, sie muss verschwinden. Auflösen muss sie sich.
Ich möchte selbst entscheiden, was ich erlebe.
Sehen und begreifen möchte ich.
So reich an Erlebbarem ist sie, die Welt in uns und um uns herum.
Eine bewusste Entschleunigung beim Akt der Wahrnehmung, sie sollte mir sehr wohl einen anderen Fokus ermöglichen.
Zeit muss ich mir nehmen, mein Leben zu erfühlen.
Gefühle sind es, die mich ahnen lassen, dass ich tatsächlich noch lebendig bin.
Ein durch den Alltag hastender Ignorant zu sein, das erscheint mir wie ein Fluch.
Wir werden nun hoffentlich bald sehen, was bisher ignoriert wurde. 

Autor: © Alexander Rossa 2019

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