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Album des Windes - Kurzgeschichten

Weihnachten steht vor der Tür xmas

 

Eine wahre Weihnachtsgeschichte aus meiner Kindheit...

Es war im Dezember in Bayern. Den ganzen Tag über hatte es geschneit. Die Luft war kühl und wunderbar klar. Bezaubernd sah es aus, die glitzernde Schneedecke im Dunkeln zu betrachten. Meine Eltern, mein älterer Bruder und ich waren auf einem abendlichen Spaziergang. Die weiße Pracht wollten wir genießen. Es war einfach traumhaft

schön. Es war so still, daß man das Rieseln des Schnees hören konnte. Während meine Eltern sich über die Dinge des Tages unterhielten, liefen wir Brüder um sie herum, durch den Schnee. Ja, wir waren die ersten, die diese frische Schneedecke betraten, und wir genossen es.

Nachdem wir einige Zeit unterwegs waren, begann mein Bruder, mir Gruselgeschichten zu erzählen. Er liebte es, mich damit zu ärgern. Ich war damals gerde einmal 5 Jahre alt. Da hatte er ganz leichtes Spiel. So sind große Brüder eben. Im Dezember spürten wir zudem bereits deutlich den nahenden Geist der heiligen Weihnacht. Also überlegte er sich schaurige Weihnachtsgeschichten und amüsierte sich dann sehr über meine Furcht. Schließlich mußte meine Mutter ihn ermahnen, diesen Unsinn doch bitte zu lassen. Das fand ich damals gut und nahm nur zu gerne ihre warme Hand. In ihrer Nähe fühlte ich mich sicher.

Allerdings war ich ein kleiner Junge. Daher fühlte ich mich schnell so sehr sicher, daß ich dann selbst damit begann, mich über die Weihnachtszeit auszulassen. Immer wieder scherzte ich über die weihnachtlichen Figuren und wurde dabei auch recht laut. So zweifelte ich immer wieder recht lautstark die Existenz vom Nikolaus an. Offenbar erhoffte ich mir damit einen gewissen Zuwachs von Mut, den mir mein Bruder zuvor vernichtet hatte. Doch während ich so meine Zweifel am Nikolaus lautstark herumpolterte, hörte ich plötzlich ein tiefes, männliches: »Nah, nah, nah...!«

Es war dunkel. Es waren keine Menschen unterwegs. Ich erschrak fast zu Tode, und meine Hand krampfte sich an der Hand meiner Mutter fest. Doch selbst meine Eltern hielten mit ihrem Spaziergang inne. Sie waren sichtlich überrascht und beobachteten den schmalen Weg, der völlig zugeschneit war. Dann erschien hinter einer hohen und mit Schnee bedeckten Hecke, aus einer Weggabelung heraus, ein riesige und ziemlich dicker Mann mit einem langen, grauen Bart. Er war mit einem roten Fellanzug bekleidet, trug schwere Lederstiefel und voluminöse Fingerhandschuhe. Selbst mein großer Bruder stand nun wortlos mit offenem Mund da. Es war wirklich der beste Nikolaus den wir jemals gesehen hatten. Bis heute habe ich keinen besseren gesehen. Das war kein billiges Kostüm aus dem Versandhaus, sondern es war original wuchtig, wie man sich einen Weihnachtsmann eben wirklich vorstellt. Er hatte einen langen Krummstab aus Holz bei sich, den er in seiner linken Hand trug. In seiner rechten Hand trug er ein großes, schwer aussehendes Buch. Unter seiner Fellmütze zeichnet sich das runde Gesicht eines alten Mannes ab, dessen Nase sich durch die Kälte bereits rot verfärbt hatte. Sein langer Bart hing bis zu seinem breiten Ledergürtel hinunter.

»Wer glaubt denn hier nicht an den Nikolaus...?«, brummte er dann mit tiefem Ton in unsere Richtung.

Niemals im Leben hätte ich auf diese Frage geantwortet und nichts hätte mich auch dazu bewegen können. Ich war eigentlich überhaupt nicht mehr da und sah mich vom Schnee verschluckt. Selbst meine Eltern waren von dieser sagenhaften Erscheinung tief beeindruckt.

»Na, wenn hier niemand an mir zweifelt, dann kann der alte Ruprecht seine Rute wohl stecken lassen.«, brummte der Alte nach einem Augenblick weiter. Man hörte ein tiefes Lachen, das mich mehr an ein Wettergrollen erinnerte.

Dann vernahmen wir plötzlich den Klang von metallenen Schellen. Dieser Klang wurde durch den tiefen Schnee etwas gedämpft, was mich aber nur noch mehr beeidruckte. In der besagten Weggabelung erschien plötzlich eine buckelige Gestalt mit klirrenden Fußschellen an den Füßen. Sie trug ein dunkles, zotteliges Fell und eine gruselige Holzmaske. Einen schweren Sack zog sie hinter sich her. An ihrem breiten Ledergürtel hatte sie verschiedene, kleine Ruten geschnallt. Diese waren sehr furchterregend. Einen finsteren Weggesellen hatte der Nikolaus uns da mitgebracht. Aus mir war mit ihm, jeder Rest von Mut gewichen. So winzig klein, wie ich mich damals fühlte, war ich seither nie wieder in meinem Leben gewesen. Selbst mein ständig vorlauter Bruder war verstummt.

Der Nikolaus schritt an meine Eltern heran. Ich sage es euch, sein langer, grauer Bart, er war wirklich echt. An diesem verdammten Nikolaus, an dem schien wirklich überhaupt alles echt gewesen zu sein. Selbst das schwere Buch, es war wirklich alt und aus echtem Leder.

Meine Eltern unterhielten sich eine kleine Weile mit dem Nikolaus und sahen immer wieder zu mir herunter. Mir kam diese kleine Weile damals unendlich vor. Den Knecht Ruprecht ließ ich nicht einen Augenblick aus den Augen. Schnaufend und knurrend stand er einige Meter weit von uns entfernt. Der Knecht stampfte immer wieder mit seinen Füßen auf, so daß die Schellen ihren furchterregenden Lärm verbreiteten. Er wollte uns damit wohl auf Abstand halten. Ich war mir damals ganz sicher.
Dann las der Nikolaus einige Augenblicke in seinem geheimnisvollen Buch und nickte dabei immer wieder meinen Eltern zu, die seltsam leise auf ihn einsprachen. Fast hatte ich den Eindruck, sie würden um uns Kinder kämpfen und uns verteidigen. Dann schloß der Nikolaus sein Buch wieder und beugte sich langsam zu mir herunter. Sein riesiges, rundes Gesicht kam mir ganz nahe und ich hatte den Eindruck, er schnupperte tatsächlich ein wenig an mir. Jedoch der Nikolaus selbst, er roch tatsächlich etwas nach Weihrauch.

Dann winkte er seinen Knecht Ruprecht heran. Der Nikolaus griff in den alten Sack und wühlte ein wenig in ihm herum. Als seine Hand wieder zum Vorschein kam, hielt er in ihr zwei große Orangen. Ja, so groß war die Hand des Nikolaus, das sie mühelos diese beiden ziemlich großen Orangen greifen konnte.

Zuerst gab er meinem Bruder eine der Früchte, dem es offenbar noch immer völlig seine Sprache verschlagen hatte. Dann kam der Nikolaus zu mir. Er beugte sich wieder zu mir herunter und hielt mir die zweite Orange hin. Ich nahm sie. Sie war ganz kalt.
»Glaubst du nun, daß es mich gibt, mein Sohn...?«

Dann grollte er wieder ein tiefes Lachen in sich hinein. Er nickte meinen Eltern noch einmal kurz zu und ging schwerfälligen Schrittes, seines Weges. Einige Meter hinter ihm, folgte der unheimliche Knecht Ruprecht durch den Schnee. Noch eine ganze Weile lang konnte man seine Schellen hören. Es schien mir damals fast so, als wollten sie mir drohen, den Nikolaus nicht gleich wieder zu verleugnen. Er war noch in der Nähe und könnte es hören.

Der Rest unseres Spaziergangs verlief ziemlich wortkarg. Ich erfuhr, daß meine Eltern ebenso überrascht von der Begegnung waren, wie wir Kinder. Da war nichts geplant oder in Auftrag gegeben worden. Ebenso standen nur wenige Häuser in der Umgebung. Niemand hatte mit einer solchen Begegnung gerechnet. Bis heute hat mich dieses Treffen mit dem Nikolaus geprägt und immer wenn ich den Duft Weihrauch wahrnehme, werde ich an diesen unwirklichen Winterabend erinnert. Eine gruselige Erinnerung, aber auch irgendwie schön...

Autor: © Alexander Rossa 2019

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